Rückblick zum Event: «Die neue globale Weltordnung im Handel und der Wirtschaft»
Text von Andreas Engel
Kaum ein ausländischer Korrespondent ist näher am Puls der US-Wirtschaft als Jens Korte (53). Ende der 1990er-Jahre zieht es den gelernten Volkswirt von seiner damaligen Heimat Berlin nach New York. Korte kommt in einer Zeit, als die Wallstreet boomt, ist hautnah dabei, als das World Trade Center 2001 Ziel eines Terroranschlags wird und erlebt, wie die Finanzkrise vom Big Apple aus global um sich schlägt. 2003 gründet Korte zusammen mit Partnerin Heike Buchter die Presseagentur New York German Press. Seither schätzt er für Kunden wie SRF, Die Zeit, die Neue Zürcher Sonntagszeitung oder Nachrichtensender wie N-TV die Lage der US-Finanzindustrie ein.
Der hochkarätige Referent lockt Mitte November rund 100 ALUMNI ZHAW SML ins Fifa-Museum in Zürich-Enge. Jens Korte soll die weltwirtschaftspolitische Lage in Zeiten von Inflation, steigenden Preisen und Zinsen, Energieknappheit, dem Ukrainekrieg und der globalen Pandemie einschätzen. Und das tut er: eloquent, unterhaltsam und treffend direkt. Die Krise kennt viele Verlierer – Korte gehört definitiv nicht dazu.
Als einen globalen Brennpunkt erachtet auch Korte die Beziehungen zwischen den beiden Grossmächten USA und China – mit Vorteilen für die Amerikaner: «Ich gehe aktuell nicht von einem militärischen Konflikt aus, sondern von einem Wirtschaftskrieg. Und wirtschaftlich hat sich das chinesische Regime mit seiner mittlerweile aufgehobenen Null-Covid-Strategie selber ins Knie geschossen.» Viele ausländische Investoren würden China nicht mehr als zuverlässigen Partner wahrnehmen. Was wiederum auch den USA als Standort helfe: «Früher wurden ganze Wirtschaftszweige ausgelagert – nach China und in andere Länder. Statt Offshoring erleben wir aktuell das Gegenteil: Near- und Friend-Shoring, also die Produktion im eigenen oder in benachbarten Ländern – ein regelrechtes Comeback der Industrie!»
Natürlich laufe auch in Amerika nicht alles rund: Viel zu wenige Fachkräfte stünden immer mehr offenen Stellen gegenüber. Das treibe zwar die Löhne in die Höhe – «und das ist auch gut so!» – doch offenbare gleichzeitig massive Demografieprobleme. Europa lässt grüssen. Die hohen Zinsen würden vielen Hausbesitzern schlaflose Nächte bereiten, ausserdem ist die US-Staatsverschuldung hoch wie nie. «31 Trilliarden Dollar – gigantisch!» Solange der Dollar allerdings so stark bleibe, wie er aktuell ist, sieht Korte auch darin keine Probleme für die US-Wirtschaft.
Ausserdem sei die USA als grösster Öl- und Gaslieferant der Welt energieautark – ganz im Gegensatz zu Europa. «Besonders Deutschland ist wegen seiner Abhängigkeit zum russischen Gas extrem unter Druck. Und Flüssig- oder Erdgas aus den USA wird meiner Meinung nach keine dauerhafte Lösung sein», sagt Korte. «Umso mehr die USA exportiert, desto stärker steigen die Preise im eigenen Land.» Viele Politiker würden deshalb bereits jetzt fordern, Energielieferungen nach Europa zu stoppen. Auch das Europa scheinbar nicht in der Lage sei, Kapital aufzutreiben – als Beispiele nennt Korte den Teilverkauf des Hamburger Hafens an China oder die zehnprozentige Übernahme der Credit Suisse durch Saudi Arabien – stimmen ihn nachdenklich. Doch egal, wie pessimistisch manche Einschätzungen von Jens Korte an diesem Abend auch klingen: Wir hätten ihm gerne noch länger zugehört.