An einem warmen Sommerabend treffen sich die Alumni Engineering & Architecture im Lindenhof in Zürich, um sich mit Nachtwächter und Historiker Martin Harzenmoser auf eine Zeitreise durchs «alte Züri» zu begeben.
Der Stadtführer im mittelalterlichen Gewand trägt in der einen Hand eine Hellebarde, in der anderen eine Laterne, und weiss manche Geschichte über das mittelalterliche Zürich zu erzählen. Damals, als es noch keine Strassenlaternen gab und die Nachtwächter als Stadtpolizisten des Mittelalters zum Rechten schauten. «Das bedeutete nach Bränden Ausschau zu halten und dafür zu sorgen, dass die Sperrstunde um 21 Uhr eingehalten wurde», erzählt Harzenmoser. War dies nicht der Fall, holte er die Nachthöckler gerne eigenhändig aus den Wirtshäusern raus.
Mehrere Stationen in der Altstadt werden mit dem Nachtwächter besucht und zu jeder hält er eine Anekdote auf Lager. Etwa zum ehemaligen Kloster Oetenbach: Er erzählt von den sehr frommen Nonnen, die im Kloster acht Mal pro Tag beteten. «Das erste Mal um 2:15 Uhr in der Früh!» Nicht alle Nonnen konnten dem Frommheitsanspruch gerecht werden; so heiratete die Nonne Anna Adlischwyler den Reformator Heinrich Bullinger. «Damit diese Ehe zustande kam, musste Bullinger allerdings ein 16seitiges Eheschreiben verfassen.» Zudem hätten im Kloster eine so grosse Anzahl Kinder gelebt, dass die Vermutung nahe liegt, dass darunter auch einige Nicht-Findelkinder waren.
In der Wohllebgasse erzählt Harzenmoser dann von den Prostituierten, den «Hübschlerinnen», die sich in Zürich mit einem roten Käppchen zu erkennen geben mussten. «Da bekommt die Geschichte vom Rotkäppchen doch gleich eine ganz andere Bedeutung», sagt Harzenmoser verschmitzt und rät, dass Buch aus den Kinderzimmern zu entfernen. Auch die Nachtwächter waren nicht unfehlbar: Anstatt Russen, die einen Weinkeller plünderten, zu verjagen, gaben sie sich während des zweiten Koalitionskriegs der Sauferei mit ihnen hin. Auch die Alumni gaben sich nach der Führung einem gemeinsamen Apéro hin und liessen das Gehörte Revue passieren.
Autorin: Kathrin Reimann